Mehr Spaß am Job: Enterprise Gamification

Machen wir uns nichts vor. In jedem Job gibt es Aufgaben, die machen einfach keinen Spaß. Die sind öde, langweilig und man schiebt sich gerne vor sich her. Stunden-, tage- und wochenlang. Bei mir ist zum Beispiel die Buchhaltung einer meiner absoluten Schwachpunkte. Bevor ich mich mit damit beschäftige, fallen mir garantiert noch 28 andere Aufgaben ein, die genau jetzt viel, viel wichtiger sind. Die schlechte Nachricht: Es nutzt aber leider nichts, irgendwann müssen auch die lästigsten Posten auf der To-Do-Liste erledigt werden. Die gute Nachricht: Es gibt einen Weg, mit dem Ihr Euch die langweiligen Seiten des Jobs spannender gestalten könnt. Das Zauberwort lautet auch hier Gamification.

Von Team-Building bis Business-Innovationen – was kann Enterprise Gamification?

Nachdem wir Euch im vorangehenden Teil unserer Gamification-Reihe gezeigt haben, wie die „Spielifizierung“ Bewerbungen leichter machen kann, geht es heute darum, wie sich Spielprinzipien für den Job nutzen lassen und wie sie – zumindest teilweise – bereits in Unternehmen genutzt werden, um die Mitarbeiter zu motivieren und bessere Ergebnisse zu erzielen. In den USA, in denen Gamification auch in diesem Bereich bereits wesentlich intensiver genutzt wird, wurde dafür der Begriff „Enterprise Gamification“ geschaffen.

Gamification lässt sich beruflich für die unterschiedlichsten Bereiche einsetzen. Dazu gehören unter anderem:

  • Aus- und Weiterbildung/Training
  • Innovationen
  • Team-Building
  • Mitarbeiterbindung
  • Gesundheit und Wellness

Parallelwelten Arbeit und Spiel

Ausgangsbasis für Enterprise Gamification ist, dass Arbeit und Spiel viele Paralellelen aufweisen, aber völlig verschieden aufgenommen werden.

Gleiche Elemente, ganz unterschiedlich wahrgenommen: Spiel und Arbeit haben tatsächlich vieles gemeinsam. Screenshot: gamification.org

Die Tabelle zeigt auf einen Blick, was Menschen im Job häufig vermissen und was sie an Spielen schätzen. Gamification-Anwendungen für den Job-Bereich müssen folglich versuchen, diese positiven Aspekte auf die Arbeit zu übertragen – also zum Beispiel für regelmäßiges Feedback zu sorgen, Vorgänge transparenter zu gestalten und mehr Entscheidungsfreiheit für den einzelnen zu bringen.

Harte Arbeit – leichtes Spiel

„Work is tough“, sagt Dr. Byron Reeves, Medienpsychologe an der Universität Stanford und Gamification-Experte. Nach seinen Erkenntnissen würde jeder Mitarbeiter danach streben, sich einzubringen, sich zu engagieren und etwas zu machen, was ihm etwas bedeutet. Und trotzdem schieben die meisten höchstens noch Dienst nach Vorschrift. Kein Wunder, sagt Reeves, denn die meisten Jobs seien schlicht langweilig und beständen aus einer Abfolge der immergleichen Aufgaben.

Plus: Das Arbeitsumfeld macht es uns oft schwer, wirklich Spaß an unserer Arbeit zu haben. „Wir sollen innovativ sein, müssen uns aber mit einem sehr schwerfälligen Umfeld auseinandersetzen, mit jeder Menge Bürokratie, mit Teams, die sich nur schlecht organisieren lassen und einer Firmenkultur, die jedes Risiko scheut“, so Reeves.

Nach Reeves Ansatz sollten in den Arbeitsalltag integrierte Spiele unter anderem dafür sorgen, dass mehr Tempo und mehr Teamwork, mehr Transparenz und mehr Teamwork im Büro Einzug halten. Kurz: Gamification soll auch einen Ausgleich schaffen zu den negativen Auswirkungen, die die Veränderungen in der Arbeitwelt mit sich gebracht haben.

Plus: Dazu kommt, dass sich – demografisch bedingt – die Zusammensetzung der Belegschaft verändert und immer mehr Menschen in Unternehmen beschäftigt sind, die zu den digital natives zählen. Wer es von kleinauf gewohnt ist, online zu sein und am Computer zu spielen, überträgt viele Mechanismen aus der virtuellen in die reale Welt. Um für diese Zielgruppe interessant zu sein, muss sich das Arbeitsumfeld entsprechend ändern.

Ein bunter Anstrich reicht nicht: Die Mindestvoraussetzungen

Damit Gamification die gewünschten Ergebnisse erfüllt, muss sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Niemand hat Lust bei einem Spiel mitzumachen, das schon nach kurzer Zeit langweilt, dass zu leicht ist und bei dem der Sinn nicht zu erkennen ist. Mindestanforderungen sind:

  • Performance
  • Achievement
  • Social Interaction

Per Feedback transparent ans Ziel: Die Performance

Zur Performance gehört

  • ein Feedback in Echtzeit. Ist-Zustand in den meisten Unternehmen sind einmal im Jahr stattfindende, ritualisierte Personalgespräche, die meistens eher gefürchtet als geschätzt werden. Ein unmittelbares, echtes Feedback könnte dazu beitragen, dass sich Mitarbeitern schneller und besser entwickeln. In Spielen ist diese Form des Feedbacks Standard. Auf jede Spielhandlung folgt eine Reaktion. Positive Reaktionen verstärken das Verhalten. Aus Kritik bzw. Fehlern wird gelernt, wie es das nächste Mal besser geht.
  • Transparenz: Mitarbeiter möchten wissen, wo sie (im Vergleich zu ihren Kollegen) stehen. In der Regel weiß das aber niemand. Ganz abgesehen von der Frage, nach welchen Maßstäben die Leistung gemessen wird. Im Spiel ist nach jeden Zug klar, wo man steht und wo die Mitspieler stehen – die „Leistung“ ist ganz klar nachvollziehbar.
  • Zielsetzung: Die größte Stadt bauen, die meisten Münzen sammeln, alle Karten von einer Sorte bekommen – jedes Spiel braucht ein Ziel. Manchmal muss man sich über mehrere kleine Zwischenziele Richtung großes Ziel hangeln bzw. ein Level nach dem anderen erklimmen. Analog dazu sollte es im Arbeitsalltag ebenfalls nicht nur die Langzeitziele geben, sondern immer auch kleine Ziele für den täglichen Fortschritt. Denn nur wer merkliche Fortschritte macht, bleibt mit Begeisterung bei einer Sache.

Von einem Level zum nächsten: Achievement

Zu diesem Bereich gehören:

  • Auszeichnungen/Anerkennungen: Spiele arbeiten mit Badges, Ehrentiteln und Trophäen, die die Fähigkeiten eines Spielers bezeugen. Übertragen auf das Büro ist damit nicht der „Mitarbeiter des Monats“ gemeint – es sollte aber Systeme geben, die die besonderen Skills der verschiedenen Teammitglieder herausstellen.
  • Aufstiegsmöglichkeiten: Im Spiel geht es von Level zu Level weiter aufwärts. Je weiter es geht, desto mehr Wissen und spezielle Fähigkeiten sind gefragt. Erfolgreich sind die Spiele, die es den Spielern nicht zu leicht machen, auf der anderen Seite die Herausforderungen aber auch nicht zu gewaltig gestalten – so bleiben viele Leute dran. Im Job war es früher schon fast eine Selbstverständlichkeit, von der Ausbildung bis zur Rente in einem Unternehmen zu bleiben. Heute sind häufige Wechsel die Regel. Und bei jedem Abgang nehmen die Mitarbeiter auch ihr kumuliertes Wissen mit. Um das zu verhindern, müssen Unternehmen ihren Mitarbeitern immer wieder neue Level (also neue Herausforderungen plus Belohnungen) bieten.
  • Anleitungen: Na, wer von Euch liest freiwillig Handbücher? Dieser Leidenschaft frönen nur die wenigsten Menschen. Das gilt auch, wenn im Job wieder eine neue Software für Zweck XY eingeführt wird. Auch stundenlange Einführungsseminare durch die EDV-Abteilung bringen nur in seltenen Fällen den gewünschten Erfolg. Was also tun, damit die teure neue Anwendung trotzdem ein Erfolg wird? Das Training sollte möglichst spielerisch ablaufen. Wichtige Inhalte werden quasi nebenbei gelernt, wenn man selber in einem Rollenspiel oder einer Case Study zum Master der Warenwirtschaft spielt. Das gilt übrigens nicht nur für Software-Einführungen – auch neue Mitarbeiter können so leichter eingearbeitet werden und sind früher produktiver. Ein gutes Beispiel, wie das aussehen kann, findet Ihr unter anderem auf der Webseite enterprise-gamification, die sich ausschließlich unserem heutigen Thema widmet.

Teams im Wettbewerb: Soziale Interaktion

Soziale Interaktion zeichnet sich aus durch:

  • Wettbewerb: Nur wer sich mit anderen messen kann, hat einen Anreiz, sich zu verbessern bzw. besser zu sein als die anderen. Für Unternehmen bedeutet Wettbewerb, nicht Mitarbeiter gegeneinander auszuspielen, sondern die Konkurrenz in einen Rahmen zu bringen und für Resultate zu nutzen.
  • Teams: Ob beim Spiel oder in der Arbeit – richtig besetzte Teams machen es uns leichter, gute Ergebnisse zu erzielen. Zum Beispiel, weil in einem Team Menschen mit den unterschiedlichsten Fähigkeiten zusammenkommen. Aber auch, weil man sich im Team gegenseitig Unterstützung gibt und man die anderen nicht hängenlassen möchte, wenn es mal nicht so läuft.

Arbeit bleibt Arbeit

Gamification ist aus Sicht vieler Experten in der Arbeitswelt künftig unverzichtbar – trotzdem wird die Arbeit nicht zum Spiel. Foto: panthermedia.net/Jeremy Baumann

Stanford-Professor Byron Reeves plädiert dafür, dass Multiplayer-Games das Nonplusultra der Gamification seien. Andere Experten sehen das als zu weitgehend an. Arbeit sei eben kein Spiel und könne auch durch Gamification nicht dazu werden. Gamification stehe lediglich dafür, Mechanismen und Begriffe aus der Spielewelt in den Businessbereich zu übertragen und zu nutzen.

Sprich: Auch gamifiziert wird aus langweiligen Routineaufgaben vermutlich nie ein Posten, um den sich alle reißen. Aber eingebettet in ein großes spielerisches Ganzes, bei dem kleine Zwischenziele einen Sinn ergeben und es ausreichend Anerkennung gibt, sind diese Aufgaben leichter zu bewältigen. Die Motivation bleibt erhalten, statt zwischen den Akten abgelegt zu werden.

Soweit zu den theoretischen Grundlagen der Enterprise Gamification. Fehlen natürlich noch praktische Beispiele, die es aber selbstverständlich bereits gibt – und die wir Euch in einem zweiten Teil vorstellen. Inklusive der kritischen Stimmen, die Gamification gerade im Zusammenhang mit Arbeit einfach für einen Hype halten.