Selbstständig machen (Teil 4): Unternehmensgründung mit Kind

Sich geschäftlich auf eigene Beine zu stellen ist nicht leicht. Mit Kindern wird die Selbstständigkeit zu einer noch größeren Herausforderung, denn die Zeit ist immer knapp und der Erfolgsdruck groß. Und trotzdem kann sich der Schritt in die Selbstständigkeit gerade für Mütter und Väter lohnen – als das große Plus lockt vor allem mehr Flexibilität. Aber auf was müssen Eltern bei einer Gründung besonders achten? An welchen Punkten scheitern sie häufig? Und welche Tipps gibt es für schwierige Phasen?

Viel mehr als eine Notlösung: Gründen mit Kind

Wer sich mit Kindern selbstständig macht, tut das sehr oft nicht freiwillig. Sondern zum Beispiel, weil er keinen Job findet, dessen Arbeitszeiten zu den Betreuungszeiten der Kinder passen. Oder weil er einen Arbeitgeber hat, der nicht gerne Mütter beschäftigt. Oder weil er die Erfahrung gemacht hat, dass eine nachwuchsbedingte Teilzeitstellen in sehr vielen Unternehmen dazu führt, karrieretechnisch im Aus zu landen.

Sich seinen eigenen Arbeitsplatz nach seinen individuellen Bedürfnissen zu schaffen, ist in solchen Fällen auf jeden Fall eine Alternative. Trotzdem muss neben der Not auf jeden Fall auch die Lust vorhanden sein, sich seinem eigenen beruflichen Ding mit viel Energie und Zeit zu widmen – und das in einer Lebensphase, in der die Zeit für einen selbst häufig ein absoluter Luxus ist.

Wirklich mehr Flexibilität?

Nie mehr zur Kita hetzen, nur weil im Büro der Chef wartet: Selbstständigkeit macht flexibel – fordert aber auch viel Flexibilität. Foto: panthermedia.net/Ursula Deja-Schnieder

Natürlich hat man als Selbstständiger mehr Gestaltungsfreiheit und oft ist es leichter, Familie und Beruf unter einen Hut zu bekommen – schon allein, weil einem kein Chef mehr die Anwesenheitszeiten diktiert oder genervt guckt, wenn das Kind „schon wieder“ krank ist. Andererseits ist man natürlich auch als sein eigener Chef zeitlich gebunden: Termine, Abgabefristen, Öffnungszeiten… Was zu den normalen Arbeitszeiten nicht geschafft wurde, weil man mit etwas anderem beschäftigt war, muss später nachgeholt werden. Spätschichten, sobald der Nachwuchs im Bett ist, sind leider eher die Regel als die Ausnahme.

Wer die Selbstständigkeit nicht als Hobby sieht, sollte sich deshalb darüber im Klaren sein, dass er zwar mehr Unabhängigkeit bekommt, dafür aber auch selber sehr flexibel sein und gerade in der Anfangszeit auf vieles verzichten muss – etwa Freizeit, ein geregeltes Einkommen und andere beruhigende Sicherheiten des Angestelltenlebens.

Kann ich das zeitlich schaffen?

Am Anfang der Entscheidung pro oder contra Selbstständigkeit sollte immer eine ausführliche Selbstbeobachtung stehen: Über mehrere Wochen wird das eigene Leben protokolliert:

  • Wie viel Zeit verbringe ich mit meiner Familie?
  • Wie viel Zeit muss für die Wege der Kinder (in die Kita/zur Schule bringen, Turnen etc.) eingeplant werden?
  • Wie viel Zeit brauche ich für den Haushalt?
  • Wie viel Zeit brauche ich für mich (Sport, Freunde…)?

Die verbleibende Zeit ist im Prinzip die Zeit, die für die Selbstständigkeit zur Verfügung steht.

Im zweiten Schritt wird festgehalten, welche zeitlichen Anforderungen die Selbstständigkeit vermutlich mit sich bringen wird.

Tipp: An dieser Stelle nichts beschönigen, sondern realistisch sein und nicht nur die produktive Arbeitszeit berechnen, sondern auch solche Posten wie Ablage, Steuer oder Marketing.

Wer kann mir helfen?

Vermutlich wird die zur Verfügung stehende Zeit wesentlich kleiner sein als die, die für die Gründung gebraucht wird. Kein Grund zum Verzweifeln, sondern ein Ansporn, kreativ zu werden: Mit etwas (Um-)Organisation lassen sich immer ein paar Stunden herausholen. Dafür müssen aber die unterschiedlichsten Leute mit an Bord geholt werden. Als allererstes natürlich der Partner. Steht er hinter der Selbstständigkeit? Und welche Aufgaben kann er fest übernehmen? Dazu kommen Omas, Opas, Tanten und Onkel, die miteingreifen können, möglichst an festen Tagen. Wer es sich leisten kann, bucht einen festen Babysittertermin pro Woche und eine Putzfrau.

Wichtig ist dabei von Anfang an, Fehlzeiten durch kranke Kinder, Schließtage im Kindergarten und ähnliches miteinzukalkulieren. Wer beim Zeitbedarf völlig am Schwimmen ist, sollte sich ein Herz fassen und erfahrene Selbstständige fragen oder eine Beratung in Anspruch nehmen (gerade für Gründerinnen gibt es in vielen Städten auch kostenlose Angebote) – je genauer man weiß, was auf einen zukommt, desto besser.

Deshalb ist es auch eine große Entlastung, feste Absprachen mit allen Beteiligten zu treffen und nicht auf schwammige Zusagen zu setzen, nur weil es zunächst bequemer ist. Es muss geregelt sein, wer an welchem Tag ein krankes Kind aus der Kita abholen kann oder wer die Fahrt zum Ballettunterricht am Mittwoch übernimmt. Gleiches gilt in punkto Finanzen: Es muss klar sein, dass es mit einer Gründung ein Risiko gibt und unter Umständen die ganze Familie zumindest vorübergehend etwas kürzer treten muss.

Welche Geschäftsidee passt zu mir?

Genauer müsste es in diesem Fall heißen: Welche Geschäftsidee passt zu mir und meiner Familie? Eine ganze Reihe von Projekten kommen oft alleine schon deshalb nicht in Frage, weil sie sich kaum um Kinder und Haushalt herum organisieren lassen. Ein eigenes Café oder ein eigener Laden etwa sind nur schwer zu stemmen, weil die Öffnungszeiten sich nicht mit dem Familienleben vereinbaren lassen, zumindest wenn man die Unternehmung alleine startet. Ein Web-Shop oder eine selbstständige Bürotätigkeit sind da schon realistischer.

Trotzdem ist träumen erst einmal erlaubt. Zu Beginn des Ideenfindungsprozesses werden alle Ideen festgehalten, die aufkommen:

  • Was habe ich schon immer gerne gemacht/gut gekonnt?
  • Was wollte ich schon immer machen?
  • Was kann ich laut Freunden und Verwandten besonders gut?

Im zweiten Schritt werden die Ideen bewertet: Was lässt sich umsetzen und was nicht? Die Ideen und Ergebnisse sollten unbedingt mit anderen diskutiert werden. Allein im stillen Kämmerlein zu sitzen mag für viele Eltern ein wunderbarer, seltener Moment sein – bei der Gründung des eigenen Unternehmens hilft er aber leider nicht weiter. Feedback ist wichtig und kann davor bewahren, sich zu verrennen. Auf der anderen Seiten führt gemeinsames Denken manchmal auch dazu, dass doch noch eine Lösung gefunden wird für eine Idee, die zunächst als unrealistisch angesehen wurde.

Wichtig ist es, auf der einen Seite keine zu ehrgeizigen Projekte verwirklichen zu wollen. Auf der anderen Seite sollten sich die Ziele aber auch nicht zu tief gesteckt werden. Wer Kinder hat, startet nicht nur mit zusätzlichem Gepäck in die Selbstständigkeit, sondern bringt auch sehr viele Fähigkeiten mit, die das Elternsein mit sich bringt und die auch im Job nützlich sein können. Außerdem sollte es bei einer Gründung ja immer darum gehen, langfristig von seiner Geschäftsidee leben zu können und Entwicklungsperspektiven für die Zukunft zu haben. Zuhause Kinderkleider zu nähen oder nette Dinge über einen Shop auf den einschlägigen Plattformen wie Etsy zu verkaufen macht bestimmt Spaß, ist in den meisten Fällen aber höchstens ein Zuverdienst und kein Einkommen, das eine Familie ernährt.

Netzwerke bilden – zusammen arbeiten

Der Schritt in die Selbstständigkeit bedeutet große Veränderungen für alle – die Kinder und der Partner müssen „mitgenommen“ werden. Foto: panthermedia.net/
Phovoi R.

Ohne Netzwerke geht für Selbstständige nichts – ob mit oder ohne Kinder. Aber Eltern sind doppelt und dreifach darauf angewiesen, dass sie einerseits ein privates Backup-System haben und auf der anderen Seite auch beruflich auf andere zurückgreifen können. Auch wenn es sich komisch anhört: Für selbstständig arbeitende Mütter und Väter ist es wichtig, ersetzbar zu sein. Es sollte im Hintergrund Kollegen geben, die kompetent sind und denen voll vertraut wird, damit im Notfall Aufträge weitergereicht werden oder Großprojekte gemeinsam angegangen werden können. Und der Auftraggeber sollte davon so wenig wie möglich mitbekommen – was zählt, ist allein das optimale Ergebnis.

Manche Gründer schließen sich auch von vornherein mit anderen zusammen, um die Lasten auf mehreren Schultern zu verteilen. So lässt sich dann zum Beispiel auch ein Laden eröffnen, ohne sechs Tage die Woche rund ums Jahr im Geschäft zu stehen oder teures Personal einzustellen. Sicherlich ein großes Plus.

Leider gibt es auch einige große Nachteile. Da wäre etwa der große Absprachebedarf, etwa wenn es um das Thema Urlaub geht. Eltern wollen naturgemäß alle während der Ferien frei haben – wie also soll man sich einigen? Oder wie sieht es mit Home-Office-regelungen aus? Wie werden Einnahmen und Ausgaben verteilt? Auch hier gilt: Wer sich im Vorfeld um konkrete Vereinbarungen drückt, wird später zwangsläufig auf die Nase fallen. Spätestens beim Geld hört für die meisten Geschäftspartner die Freundschaft auf…

Und wo bleibe ich?

„Die ersten zwei Jahre habe ich meine Freunde nicht mehr gesehen, war nicht im Kino oder Theater, hatte keine Zeit für Sport – dafür habe ich 80 bis 100 Stunden die Woche gearbeitet“: Das erzählte der Berater in meinem Gründerseminar gleich zum Einstieg – nicht um die Teilnehmer vom Gründen abzubringen, sondern als eine Art Mahnung auf den Weg. Denn es geht auch anders – und mit Kindern im Gepäck muss es einfach anders gehen.

Wer als Mutter oder Vater sein eigenes Geschäft startet, muss Abstriche machen. Vieles entwickelt sich nicht so schnell, wie es ohne Nachwuchs funktionieren würde. Nicht alle Ideen lassen sich umsetzen. Es wird immer wieder einen Auftrag geben, den man ablehnen muss, weil man nicht spontan am kommenden Tag irgendwo hinfliegen kann. Deswegen sollten die eigenen Ziele auch nicht zu hoch gesetzt werden. Das erspart Frustrationen und Stress, von dem man ohnehin schon genug hat. Und es bleibt zwischendurch immer mal wieder etwas Zeit für einen Selbst – für Schwimmen gehen am Vormittag, eine Mittagessenverabredung mit einer Freundin oder um einfach mal in der Sonne zu sitzen, ganz allein.

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