#BTW17: Wie Google, Facebook & Co den Wahlkampf digitalisieren

Alle vier Jahre steht sie wieder an: Die Bundestagswahl. Der im Vorfeld stattfindende wochenlange und meist hart umkämpfte Wahlkampf bringt eine wahre Flut an Informationen, Versprechungen und unendlich langen Wahlprogrammen mit sich. Da fällt es manchmal schwer, als Wähler den Überblick zu behalten und mit einem gut informierten Gewissen in die Wahlkabine zu gehen. Aber ist es im Zeitalter der Digitalisierung wirklich noch so schwer, sich ausreichend zu informieren? Wir sagen ganz klar NEIN und zeigen Euch in diesem Beitrag, welche Beiträge Google, Facebook und Co. zum digitalen Wahlkampf leisten und stellen Alternativen zum Wahl-O-Mat vor.

Google: Das große Ganze auf einen Blick

Ein Wahlkampf ohne Google ist nicht mehr möglich und so mischt der Suchmaschinenriese bei der Bundestagswahl 2017 wie nie zuvor mit Specials mit. Wie in den USA, Frankreich und den Niederlanden bereits getestet, bietet Google in diesem Jahr auch erstmals in Deutschland zusätzliche Suchwerkzeuge und Informationen rund um alle Kandidaten und den Trendanalysen an.

Google-Tool stellt „Kandidaten zur Bundestagswahl“ vor

Google hat unter anderen eine Webseite erstellt, auf der Ihr nach der Eingabe der Postleitzahl alle Direktkandidaten und die auf den vorderen Listenplätzen stehenden Kandidaten für Euren Wahlkreis angezeigt bekommt. Gleiches gilt für die Spitzenkandidaten auf Bundesebene, die Ihr Euch mit einem Klick auf den Reiter Spitzenkandidaten anzeigen lassen könnt.

Jeder Kandidat ist verlinkt und liefert mit einem Klick sofort alle Suchergebnisse und Informationen zu dieser Person. Gaben die Infoboxen neben den Suchergebnissen bisher nur allgemeine Infos rund um Geburtsdatum und Familienstand,  setzt Google in den Wochen bis zur Wahl auch hier auf eine höhere Informationsdichte.

Alle zur Wahl stehenden Kandidaten können ihren politischen Grundsatz und drei ihrer Prioritäten in ihrer Infobox hinterlegen. Google weist darauf hin, dass es sich hierbei um persönlich verfasste Standpunkte handelt. Im Verfassen der Inhalte sind die Politiker frei – volksverhetzende Inhalte sind selbstverständlich tabu.

Aktuell sind bei den Spitzenkandidaten bereits Statements hinterlegt – möglichst viele der insgesamt 4500 bundesweiten Kandidaten sollen in den nächsten Tagen folgen. Die Kandidaten wurden in den vergangenen Wochen durch die dpa-infocom über dieses Angebot informiert und dazu aufgerufen, Inhalte zu generieren – eine der aufmerksamkeitsstärksten Positionen bei Google inklusive.

Dabei müssen sich die Politiker kurz fassen, was einigen twitter-affinen wohl nicht schwer fallen sollte. Der politische Grundsatz darf maximal 500 Zeichen lang sein und sollte im besten Fall eine Zusammenfassung des Wahlprogramms widerspiegeln oder den potenziellen Wähler persönlich ansprechen. Die drei Schwerpunktthemen dürfen jeweils nicht mehr als 140 Zeichen umfassen.

Neben den Inhalten können die Politiker zusätzlich auf ihre Profile in den Sozialen Netzwerken verlinken, aber nicht auf die eigene Webseite oder die der Partei. Google will hiermit umgehen, dass direkt auf weiterführende Inhalte verlinkt wird und die Zeichenobergrenze damit etwas umgangen wird.

Alle Infoboxen sind zeitlich begrenzt und werden nach der Wahl wieder auf die bisherigen Informationen reduziert.

Wir sind gespannt, wie viele Politiker noch von diesem attraktiven Angebot Gebrauch machen werden.

Google Trends

Ähnlich wie bei großen Sportereignissen oder der vergangenen US-Wahl hat Google auch ein eigenes Trend-Portal zur Bundestagswahl erstellt. Hier werden die Suchdaten ausgewertet und aufbereitet dargestellt.

Auf der Übersichtsseite werden zunächst die fünf meistgesuchten der insgesamt zehn Spitzenkandidaten der letzten 7 Tage in Deutschland dargestellt. Klickt ihr dort auf Explore bekommt Ihr die analysierten Suchdaten zur der jeweiligen Person.

Google-Trend-Report zur Bundestagswahl 2017

Im weiteren Verlauf setzt Google die Kanzlerin Angela Merkel und Martin Schulz, Kanzlerkandidat der SPD, in den direkten Vergleich. Etwa wie sich das Suchinteresse in den letzten 100 Minuten verhalten hat oder was die Top-Suchanfragen der vergangenen zwei Stunden waren. Auch auf das internationale Interesse an der Bundestagswahl wird anhand einer eingefärbten Weltkarte eingegangen.

Wahl 2Q17: Was will Deutschland wissen?

In Zusammenarbeit mit dem Experten für Datenvisualiserung, Moritz Stefaner, entwickelte Google News Lab das interaktive Datenprojekt 2Q17. Nach dem Suchinteresse pro Tag geordnet, werden die zehn meistgesuchten Schlagworte zu dem jeweiligen Spitzenkandidaten angezeigt. Mit einem Klick auf Mehr gelangt Ihr zu allen Top Suchbegriffen des Tages. Die täglichen Schwankungen und die allgemeine Entwicklung des Suchinteresses lassen sich anhand dieser Übersicht sehr gut nachvollziehen.

2Q17: Was sucht Deutschland zur Wahl und welcher Kandidat hat auf lange Sicht die Nase vorn?

Mit Googles Angeboten kann man sich bereits vor der Wahl gezielter informieren und erhält einen guten Überblick über mögliche Trends und das Interesse im eigenen Land.

Wahlkampf in den Sozialen Netzwerken

Im Vergleich zu anderen Nationen kann man den Deutschen Wahlkampf bei Facebook, Twitter und Co. wohl immer noch als eher schleppend bezeichnen. Dabei könnte man meinen, dass Facebook mit seinen 30 Millionen Mitgliedern als einer der wichtigsten Kanäle im Wahlkampf bespielt werden sollte. Fan-Zahlen und Interaktionen von Parteien und Politikern sind im Vergleich aber relativ gering.

Vergleich der Parteien bei Facebook

Facebook hilft in Sachen Informationsbereitstellung nach und ermöglicht im Newsfeed den direkten Vergleich der großen Parteien. Immer wenn Ihr auf einen Artikel rund um das Thema Bundestagswahl geklickt habt und wieder zu Facebook zurückkehrt, wird Euch die Infobox zum Positionenvergleich angezeigt. Mit einem Klick darauf, werden Euch in zufälliger Reihenfolge die Standpunkte zu verschiedenen Themen, wie bspw. Verkehr, Bildung, Europa und Arbeit aufgelistet.

Die Inhalte sind durch die Parteien selbst in ihren Profileinstellungen hinterlegt worden. Ähnlich wie bei Google, limitiert auch Facebook die Textlänge. Maximal 200 Zeichen pro Position oder ein 30 sekündiges Videostatement sind möglich. Alle Positionen können durch die Nutzer direkt geteilt werden.

Die Infoboxen bieten gut strukturiert einen Querschnitt durch alle Themengebiete und dem Wähler die Möglichkeit sich zu informieren, ohne das ganze Wahlprogramm wälzen zu müssen.

YouTube: Influencer & Infotainment

Auch das Videoportal YouTube mischt im Wahlkampf 2017 mit und erreicht damit wohl insbesondere die jungen Wähler, immerhin geben 70% der 14-29 jährigen in Deutschland an, YouTube täglich zu nutzen. Nach dem Interview mit YouTuber LeFloid 2015 musste sich Bundeskanzlerin Angela Merkel nun im August bereits zum zweiten Mal den Fragen der Videoblogger stellen – diesmal allerdings live. Auch Herausforderer Martin Schulz wagte sich in die Influencer-Höhle und, glaubt man den Umfragen, schnitt dort wesentlich besser ab als die Kanzlerin. Außerdem wurden die beiden TV-Duelle am 04. & 05.September live übertragen.

Zu Beginn der heißen Phase, eine Woche vor der Wahl, werden 15 ausgewählte YouTuber ihre Fans zu einem Community-Live-Stream einladen und über Wahlthemen diskutieren. Am Wahlabend selbst findet erstmals die „funk Wahlgemeinschaft“, die YouTube-Wahlnacht für die junge Zielgruppe statt. Prominente YouTuber und Nachwuchs-Politiker analysieren den Wahlausgang und bereiten politische Inhalte für die junge Zielgruppe auf. Dahinter steckt mit funk das Content-Netzwerk von ARD und ZDF sowie Studio71, dem Multichannel-Netzwerk von ProSiebenSat.1.

Wie kann ich herausfinden, welche Partei zu mir passt?

Eine der wichtigsten Fragen in Vorbereitung auf den Gang in die Wahlkabine. Doch bei Wahlprogrammen vom Umfang eines Buches, das der Grünen umfasst bspw. 248 Seiten, fehlt den meisten die Zeit und die Muße sich durchzuackern. Glücklicherweise gibt es mittlerweile jede Menge Tools, die die Kernpunkte der Wahlprogramme analysiert haben und uns in spielerischer Form erklären und näherbringen wollen. Und damit ist der Klassiker Wahl-O-Mat längst nicht mehr alleine. Wir stellen Euch drei Alternativen vor.

Wahl-O-Mat: Der Klassiker

Seit nunmehr 15 Jahren begleitet uns der Wahl-O-Mat der Bundeszentrale für politische Bildung zu jeder Landtags- oder Bundestagswahl. Angelehnt an ein Quiz kann der Wähler entscheiden, ob er der angezeigten These zustimmt, diese ablehnt oder einen neutralen Standpunkt vertritt. Nach der Durchführung kann der Nutzer Themen, die ihm besonders wichtig sind, doppelt gewichten. Im Ergebnis zeigt der Wahl-O-Mat den prozentualen Übereinstimmungsanteil an der höchstmöglich erreichbaren Punktzahl für maximal 8 der 32 Parteien.

Wer sich schon immer mal gefragt hat, wer für die 38 Thesen verantwortlich ist, dem sei das folgende Video ans Herz gelegt:

Digital, Agrar, Sozial: Für jede Gruppe ein Wahl-O-Mat

Egal welcher Interessengruppe Ihr angehört, mittlerweile gibt es für fast alle einen Schwerpunkt-Wahl-O-Mat.

  • Agrar-O-Mat: Das Nachrichtenportal für die Landwirtschaft, agrarheute, hat auf Grundlage einer Umfrage unter Landwirten 22 Thesen zur Agrarpolitik aufgestellt und diese den Parteien vorgelegt. Fünf Parteien (CDS/CSU, SPD, Die Gründen, FDP, Die Linke) haben Stellung bezogen und bieten somit Landwirten die Möglichkeit, sich gezielter in dem Bereich zu informieren, der sie tagtäglich umgibt.
  • Digital-O-Mat und Digital-Thesen-Check: Digitalisierung ist eines der Top-Themen in diesem Wahlkampf. Was die Wähler in den nächsten Jahren von den einzelnen Parteien in Sachen Digitalpolitik erwarten können und ob sich das mit ihren Vorstellungen deckt, kann direkt in zwei Schwerpunkt-Tools überprüft werden.
  • Sozial-O-Mat: 12 Fragen zu den Themen, Pflege, Armut, Alter und Flucht hat die Diakonie Deutschland erstellt und zeigt damit auf, welche Standpunkte die großen Parteien im Punkt Sozialpolitik vertreten.

WahlSwiper: Das Politik-Tinder

Geht es um potenzielle Dates kommt die Bewegung bei einigen bereits locker aus dem Daumengelenk. Die Rede ist vom Swipen nach Rechts und Links. Das Berliner Startup MOVACT hat das Prinzip der Dating-App Tinder auf das Wahl-O-Mat Konzept übertragen. Heraus kam das Non-Profit Projekt WahlSwiper, den Ihr Euch kostenlos für Android und iOS herunterladen könnt.

Aktuelle Themen wurden in 30 Fragen aufgearbeitet. Der Nutzer kann die Fragen durch Swipen oder Tippen mit Ja oder Nein beantworten oder Überspringen. Besonders gelungen finden wir, dass es zu jeder Frage ein kurzes Video gibt, indem das Thema der Frage neutral und zugänglich erklärt wird. Durch die visuelle Darstellung fallen ewig lange und unverständliche Erklärtexte weg. Nachdem Ihr alle Fragen beantwortet habt, wählt Ihr die zu vergleichenden Parteien aus und erhaltet im Anschluss Euer „Top Match“ für die Partei mit der höchsten Übereinstimmung.

Musik-O-Mat: Die Ohrwurmgarantie

Hättet Ihr gedacht, dass Euer Lieblingssong auch der von Angela Merkel ist? Oder das Ihr am liebsten zu dem Song abhottet, zu dem auch Die Linken gerne headbangen? Der Musik-Streamingdienst Deezer hat die großen Parteien nach Ihrem Musikgeschmack gefragt und. Heraus kamen Playlisten mit insgesamt 17 Titeln, die die Grundlage für den Musik-O-Mat bildeten.

Klar zeigt Euch der Musik-O-Mat keine Übereinstimmung mit Punkten aus den jeweiligen Wahlprogrammen, aber immerhin, ob Ihr Euch auf der Wahlparty wohlfühlen würdet ;).

Alle aufgezählten Informationsformate und -quellen zeigen einmal mehr, dass die Digitalisierung endgültig im Wahlkampf angekommen ist. Kennt Ihr noch weitere Tools oder wie/wo informiert Ihr Euch in den Wochen vor der Wahl? Abschließend bleibt uns nur zu sagen: Sei .cool, geh wählen!