Mehr als nur TLDs: Das Domain-Jahr 2015 im Schnelldurchlauf

Unheimlich viel passiert, viel in Bewegung: Was für die weltweite Lage gilt, trifft auch auf die Domainszene im (fast) vergangenen Jahr zu. Fast jeden Monat sind zahlreiche neue Top Level Domains (nTLD) ins Netz gestartet. Rund 800 dieser neuen Domainendungen sind mittlerweile verfügbar, die Registrierungszahlen steigen. Noch bekommen die etablierten Endungen wie .com und .de von der neuen Konkurrenz zwar nicht allzu viel zu spüren – dennoch gibt es auch bei bekannten TLDs Neuerungen. Dazu gab es 2015 rege Diskussionen um die zukünftige Ausrichtung der Internetverwaltung ICANN und zum Jahresende die Warnung vor einem „Platzen der Domain-Blase“. Mehr dazu erfahrt Ihr in unserem Blick zurück auf das Domainjahr 2015!

Neue Domainendungen: Mehr als die Hälfte ist live

Eigentlich sollten TLD-Neustarts Ende 2015 schon gar kein Thema mehr sein. Den ursprünglichen Zeitplänen der Internetverwaltung ICANN nach hätte die Einführung der rund 1400 neuen Endungen schon längst erledigt sein sollen. Doch es kam ja alles etwas anders als gedacht und so verläuft der Prozess wesentlich langsamer als anfangs geplant. Aktuell sind rund 800 neue Domainendungen bereits gestartet. Knapp 600 stehen damit noch in Warteposition.

Da jeden Monat in der Regel nur ein etwa ein Dutzend neuer TLDs dazu kommt, wird sich die Einführung also noch etwas hinziehen. Dazu kommen nach wie vor technische Probleme und rechtliche Unklarheiten bei einigen Endungen. In diesen Fällen ist noch immer nicht abzusehen, wann und ob der Start erfolgen wird.

Mitte Dezember 2015 wurden insgesamt 10,5 Millionen registrierte Domains mit einer neuen Endungen gezählt. Die Tendenz zeigt nach oben, doch von den etablierten Endungen sind die Newcomer noch immer weit entfernt. Zum Vergleich: Allein die .com-Domain weist rund 122 Millionen registrierte Seiten auf.

Grafik: nTLDstats.com
Grafik: nTLDstats.com

Die Top 5 unter den nTLDs sind aktuell laut den Zahlen von nTLD-Stats die

Die .xyz-Domain kommt demnach auf 1,7 Millionen Registrierungen. Die .top-Domain hat mehr als 900 000 Registrierungen erreicht und für die .wang-Domain werden knapp 600 Registrierungen verzeichnet.

Gemischte Bilanz

Die verschiedenen Vergabestellen blicken vermutlich mit ziemlich gemischten Gefühlen auf die Entwicklung bei den nTLDs: Die meisten sind deutlich hinter den gesetzten Erwartungen zurückgeblieben und weit davon entfernt, die hohen Investitionskosten wieder hereinzuholen. Domain-Experten – etwa bei VeriSign, der Vergabestelle der .com- und der .net-Domain – rechnen aber damit, dass sich dieses Bild für viele neue Endungen in der Zukunft positiv verändern wird. Auf lange Sicht würden die neuen Endungen zu einer ernstzunehmenden Konkurrenz werden.

Alles nur eine Blase?

Womit wir bei den alteingesessenen Domainendungen gelandet werden. 296 Millionen registrierte Domains vermeldet der Domain Name Industry Brief im Herbst 2015. Der Zuwachs an neuen Domains lag bei 16 Millionen beziehungsweise 5,9 Prozent.

In der Rangliste stehen die gewohnten Kandidaten weiter vorne:

Auffallend an den Registrierungszahlen sind laut dem Domain Name Industry Brief die starken Zuwächse bei .com und .net, die sich im vierten Quartal 2015 noch einmal deutlich erhöht haben sollen. Was nach guten Geschäften für VeriSign klingt, wird von dem Unternehmen selbst jedoch als Blase angesehen, die bald platzen könnte. Zumindest hat VeriSign im November eine entsprechende Mitteilung an die US-Börsenaufsicht geschickt, bei der es sich um eine Art Gewinnwarnung für die Domainbranche handelt.

Das starke aktuelle Domain-Wachstum – nicht nur bei .com und .net – werde vor allem von China aus am Laufen gehalten. Die Experten von VeriSign warnen davor, dass niemand sagen könne, wie lange dieser Boom nach andauern könne. Auf der einen Seite würde die Nachfrage nach Domains zum Beispiel zur Regierungsprogramme gefördert und natürlich gebe es eine stark wachsende Zahl von Nutzern. Auf der anderen Seite sei aber nicht gesagt, dass einmal registrierte Domains automatisch verlängert werden – die sogenannte Renewal-Quote sei in China und anderen Schwellenländern deutlich niedriger als etwa in Europa und den USA.

Markt-Verzerrung bei den nTLD

Die Blasen-Befürchtung gibt es übrigens nicht nur bei den klassischen Domainendungen. Auch bei den neuen TLDs wird die Gefahr eines Nachfrage-Einbruchs gesehen, speziell bei den aktuellen Top-3-Endungen. Denn die beruhen in erster Linie wohl auf Großeinkäufen chinesischer Registrare (die sich damit selbst in die Registrar-Top-10 befördern) sowie auf nicht ganz astreinen Marketing-Deals, die es zwischen einigen Vergabestellen und Registraren gab.

Bei .xyz hat der Registrar Network Solutions zum Beispiel jedem Kunden, der bei dem Unternehmen eine .com-Domain registriert hat, automatisch die entsprechende .xyz-Domain für ein Jahr „geschenkt“. Allein das brachte 100 000 Registrierungen direkt zum Start. Inzwischen sollen es mehr als 300 000 sein.

Dazu kommt eine optimal auf die Ansprüche des chinesischen Marktes zugeschnittene Vermarktung, etwa mit speziellen Webseiten für chinesische Investoren, auf denen alle besonders kurzen, noch verfügbaren Domainnamen unter der Endung .xyz verzeichnet sind – kurze Endungen sind in China extrem beliebt. Solche Methoden dürften die Registrierungszahlen erst einmal in die Höhe schnellen lassen, weil im Hinblick auf mögliche Gewinne die entsprechenden Domains in großen Mengen registriert werden – ob sie auf Dauer gehalten werden, ist jedoch fraglich.

Gut verdient: nTLDs als Geldquelle

Dass auch mit zweifelhaften Methoden um die besten Plätze gekämpft wird, zeigt, wie viel Potenzial und vor allem auch wie viel Geld in der Domainbranche und den neuen TLDs steckt. Während Vergabestellen beziehungsweise Investoren wohl noch einige Zeit darauf warten müssen, dass sich ihre Investitionen bezahlt machen, gibt es für die ICANN bereits jetzt einen warmen Geldregen.

Entstanden ist dieser durch die Einführung der neuen TLDs, von der die ICANN gleich mehrfach profitiert: Nach Expertenberechnungen kamen allein durch die Bewerbungsgebühren für nTLDs bisher 357 Millionen US-Dollar zusammen. Knapp die Hälfte davon fließt allerdings direkt in die Verfahrenentwicklung und wird als Budget für rechtliche Auseinandersetzungen benötigt.

Auktionen von TLDs, für die es mehrere Bewerber gab, brachten zusätzliche 60 Millionen US-Dollar. Die Gebühren, die ICANN von Vergabestellen und Registraren für die nTLDs kassiert, lagen in der ersten Hälfte 2015 bei rund 14 Millionen Euro. Das ist deutlich niedriger, als von der Internetverwaltung ursprünglich geschätzt – weshalb beim gerade veröffentlichten Finanzplan für 2016 auch der Rotstift angesetzt wurde.

Und wie geht’s weiter?

Alles beim Alten: An der Spitze der Registrierungsstatistik zeigt sich auch 2015 wieder das gewohnte Bild. Und vermutlich wird sich auch 2016 noch nicht allzu viel daran ändern. Grafik: Domain Name Industry Brief
Alles beim Alten: An der Spitze der Registrierungsstatistik zeigt sich auch 2015 wieder das gewohnte Bild. Und vermutlich wird sich auch 2016 noch nicht allzu viel daran ändern. Grafik: Domain Name Industry Brief

Tja, wie es die Fachleute von VeriSign in ihrem warnenden Brief bereits so treffend gesagt haben: Ob sich der Domain-Markt so schnell weiterentwickelt, wie in den vergangenen Monaten, kann niemand genau voraussagen. Was wir aber definitiv schon jetzt wissen: Es kommen auch 2016 wieder viele neue Domainendungen. Bereits in ganz naher Zukunft starten zum Beispiel .auto, .family und .game. Bleibt es beim Tempo der vergangenen zwei Jahre, wird die Einführung allerdings auch Ende 2016 noch nicht abgeschlossen sein.

Erschwerend kommt hinzu, dass es nach wie vor eine ganze Reihe umkämpfter beziehungsweise umstrittender Endungen gibt. Bei den umkämpften Endungen handelt es sich um TLDs, für die es mindestens zwei Bewerber gibt, die sich bislang nicht darüber einigen konnten, wer den Zuschlag erhält und für die keine privaten Auktionen angesetzt wurden. Die Entscheidung wird deshalb im Rahmen einer „auction of last resort“ gefällt. Für den Januar 2016 sind derartige Auktionen für die Endungen .shop, .shopping, .cam und .phone angesetzt.

Während bei den umkämpften Endungen also ein Ende absehbar ist, sieht es bei den vielen umstrittenen Endungen völlig ungewiss aus. Teils geht es hier um technische Probleme wie die Gefahr der string confusion (wenn zwei Endungen sehr ähnlich klingen wie beispielsweise .pet und .pets) oder es geht um rechtliche Unklarheiten, etwa wer Ansprüche auf die Endung .amazon hat (der globale Versandhändler oder die südamerikanische Region?).

Für die einen Endungen ist also noch nicht einmal ein Starttermin in Sicht, die anderen werden dagegen schon wieder beerdigt. Für seine Unternehmens-TLD .doosan hat der gleichnamige südkoreanische Konzern im Herbst 2015 bei der ICANN die Auflösung des Registry-Vertrags beantragt.

Im Rahmen der aktuellen Einführungsrunde für neue Domainendungen gab es erstmals die Möglichkeit für Unternehmen, Bewerbungen um eine eigene Endung einzureichen. Dieses Angebot wurde vor allem von großen Konzernen und bekannten Marken genutzt – unter anderem wurden bei der ICANN Bewerbungen um .apple, .audi und .spiegel eingereicht. Praktisch genutzt werden diese aber bisher kaum, weshalb Domain-Experten davon ausgehen, dass noch eine ganze Reihe von Brand-TLD-Inhabern dem Beispiel von Doosan folgen werden.

Zum Schluss des Rück- und Ausblicks gibt es noch etwas Neues von der beliebtesten TLD weltweit: der .com-Domain wird auf absehbare Zeit keine Endung das Wasser reichen können. Dennoch ruht sich die Vergabestelle nicht auf dem komfortablen Vorsprung aus. Mit Blick auf die rasant wachsende Zahl nicht-englischsprechender Internetnutzer weitet die .com-Registry die Möglichkeiten aus, Domains mit Sonderzeichen zu registrieren.
Im Zuge dieser Internationalisierung kann nicht nur der Domainname in der jeweiligen Landessprache beziehungsweise den entsprechenden Schriftzeichen registriert werden, sondern auch das Kürzel .com. Aktuell hat sich VeriSign um zwölf dieser internationalisierten Varianten beworben, unter anderem Arabisch, Hebräisch, Thai und vereinfachtes Chinesisch. Wie bei den nTLDs wird es auch bei den neuen .com-Domains eine vorgeschaltete Sunrise-Phase geben, in der ins Trademark Clearinghouse eingetragene Markeninhaber und Unternehmen vor allen anderen Nutzern ihre Ansprüche geltend machen können.
Und damit fehlt jetzt eigentlich nur noch eines: Wir wünschen Euch einen guten Rutsch und einen erfolgreichen Start ins neue Jahr! Wir freuen uns, auch 2016 von Euch zu hören, Eure Tipps und Anregungen aufzugreifen und bedanken uns für Euer tolles Feedback in den vergangenen 12 Monaten!