Kinder im Netz: Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser?

Wenn mich mein Sohn fragt, ob er im Internet surfen darf, verursacht das bei mir nicht uneingeschränkte Begeisterung. Einerseits freue ich mich, dass er sich mit den modernen Medien auseinander setzt, andererseits ist da immer dieses komische Gefühl, wer und was ihm in der Cyber-Welt vielleicht begegnen kann. Denn manchmal braucht es einfach nur einen Klick, um vom Ernie und Bert-Video bei Youtube auf irgendwelchen Sex-Clips zu landen.

Was suchen die Kleinen im Netz und womit beschäftigen sie sich dort? Vielen Eltern ist das gar nicht klar. Wir bringen etwas Licht ins Dunkel und schauen uns an, was bei den Kids angesagt ist, welche Seiten es für Kinder gibt und wie man die jungen Netznutzer vor möglichen Gefahren im Internet schützen kann.

KIM-Studie: Was Kinder im Netz suchen

Beginnen wir mit den Fakten. Einen guten Überblick über das, was Kinder im Internet treiben, findet man in der KIM-Studie vom Medienpädagogischen Forschungsverband Südwest. Die Institution analysiert alljährlich das Medien-Verhalten von Kindern zwischen sechs und 13 Jahren. In der Ausgabe zum Jahr 2012 gab es wieder viele interessante Zahlen.

Aufgrund der Lesebarriere sind bei den Kleinen zwischen sechs und sieben Jahren nur 20 Prozent Internetnutzer. Doch das ändert sich rasant. In der Altersgruppe der 12- bis 13-Jährigen nutzen bereits 93 Prozent der Befragten das World Wide Web und über die Hälfte von ihnen tut das jeden Tag. Ganz vorne bei den besuchten Seiten liegen Facebook, Youtube und schülerVZ (seit April 2013 offline).

Nach ihren Tätigkeiten gefragt, erklären 75 Prozent der Kids, dass sie die Dienste von Suchmaschinen in Anspruch nehmen. Jeweils ungefähr die Hälfte der Kinder gab an, spezielle Seiten für ihre Altersgruppe zu besuchen, einfach drauf los zu surfen, Videos und Filme zu schauen oder sich bei Communities mit anderen auszutauschen.

Die Analyse darüber, welche Informationen die Kinder bei Google & Co suchen, ist auch noch einmal interessant. Ca. 50 Prozent der Befragten benötigten Auskünfte zu schulischen Fragen. Bei den nächsten großen Blöcken gehen die Interessen getrennt nach dem Geschlecht etwas auseinander. Während Jungs zu über 50 Prozent auf der Suche nach Spielen waren (Mädchen nur zu 35 Prozent), lag das Interesse der Mädchen mit 52 Prozent bei Informationen über Prominente, womit sich Jungs nur zu ca. 40 Prozent beschäftigten. Immerhin mit ungefähr 30 Prozent standen für beide Gruppen Nachrichten und Dinge, die sich die Kinder kaufen wollen, im Zentrum der Suchaufträge.

Suchen, chatten, daddeln: Welche Angebote gibt es?

Wer seine Kinder im Netz sinnvoll begleiten will, sollte also schon eine Ahnung über das Angebot zu den jeweiligen Interessenslagen haben. Wir haben uns mal ein paar Seiten angeschaut, die für Kinder geeignet sind.

Suchmaschinen

Die meisten Suchmaschinen für Kinder unterscheiden sich von unseren Recherche-Portalen für Erwachsene durch eine redaktionelle Vorauswahl der Inhalte. Es wird nicht auf das gesamte Web verwiesen, sondern maximal auf die Seiten anderer ausgewählter Kinderportale. Drei Suchmaschinen möchte ich Euch hier vorstellen:

  •  Blinde Kuh: Blinde Kuh besitzt eine Suchleiste im oberen Seitenbereich. Hierüber findet man eine Auswahl an geprüften Seiten zu bestimmten Themen, die jeweils einer Altersgruppe zugeordnet sind. Zusätzlich bietet die Seite verschiedene Links sortiert nach Themenkomplexen wie Nachrichten, Interessensgebieten oder Tätigkeiten. Alles in allem finde ich die Seite sehr voll und gerade für Einsteiger zu komplex. Hier sollten die Eltern ihre Kinder bei der Orientierung unterstützen.
  • Helles Köpfchen:Bei dieser Suchmaschine hat eine fleißige Redaktion Informationen zu aktuellen Themen ebenso wie zu bestimmten Wissensgebieten und Nachrichten zusammengestellt. Aber auch Spiele und Hobbies werden auf der Seite besprochen. Helles Köpfchen verfügt zusätzlich über eine Suchmaske und bietet eine Community.
  • FragFINN: Neben der Suchfunktion gibt Finn Auskünfte zu Spielen und Nachrichten, verfügt über einen Chat und eine Community. In der Stöberecke werden aktuelle Themen angeboten. Diese Seite ist deutlich übersichtlicher als vergleichbare Projekte. Die Suche funktioniert über eine sogenannte Whitelist, es werden also nur Seiten angezeigt, die von der FragFinn-Redaktion freigegeben wurden.

Interessant und ebenfalls ein Ergebnis der KIM-Studie ist, dass trotz all dieser kinderspezifischen Angebote Google in der Bekanntheit bei den Kindern immer noch auf Platz eins rangiert.

Chat

Eine offensichtlich wichtige Komponente für Kinder ist der persönliche Austausch über das Internet. Communities und Chats gibt es speziell auch für die kleinen User. Nicht nur wegen der Altersbeschränkung sollten sie sich nicht auf Facebook anmelden, sondern lieber auf einem der vielen kindgerechten Portale.

  •  Kidsville: Kidsville bietet eine Community für Kinder bis 14 Jahre und hat den Vorteil, dass die Bewohner nicht mit richtigen Bildern, sondern mit Comics dargestellt werden. So bleibt die Anonymität der Kids gewahrt.
  • Helles Köpfchen: Auch bei Helles Köpfchen kann sich Dein Kind tummeln, eine eigene Seite anlegen, mit Freunden chatten. Das Besondere an diesem Chat ist, dass er moderiert wird. An jedem zweiten Tag der Woche kann dann für zwei Stunden sicher geplaudert werden. Wer sich daneben benimmt fliegt raus. Das Angebot richtet sich an Kinder bis 16 Jahre.
  • meinKIKA: KIKA, der gemeinsame Kinderkanal von ARD und ZDF bietet eine Community für seine Zuschauer an, ebenso wie Tivi vom ZDF. Bei beiden kann ein eigenes Profil eingerichtet werden und die Kinder können auf beiden Portalen chatten. Die Themen sind jeweils vorgegeben und werden auch hier moderiert. Meist begleiten die Chats Themengebiete, die im jeweiligen Fernsehprogramm aufgegriffen wurden.

Spiele auf den Portalen

Einen besonderen Reiz üben seit jeher Computerspiele auf Kinder aus. Auch hierzu gibt es auf den verschiedenen Portalen eine Reihe von Angeboten. Allerdings muss man ehrlich zugeben, dass es sich bei den Spielen nicht unbedingt um solche Games handelt, wie sie zum Beispiel 12 jährige Jungs gerne spielen möchten. Andere Seiten wiederum bieten nur sinnlose Baller- oder Racingspiele mit schlechter Grafik an.

Um ein ausgewogenes Spieleangebot mit einer guten Mischung aus Action, Kreativität und Köpfchen anbieten zu können, empfiehlt es sich eher, auf eine Spiel-Konsole oder ein Tablet auszuweichen, für das man gemeinsam mit den Kindern eine Auswahl trifft.

Perfekter Schutz

50 Prozent der befragten Kinder sagten in der besagten Studie, dass sie gerne einfach drauf los surfen würden. Bei diesem Gedanken stellen sich bei vielen Eltern die Nackenhaare senkrecht. Um einigermaßen sicher gehen zu können, dass den Kindern im Netz nichts passiert, gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder, man sitzt permanent beim Surfen daneben oder man benutzt eine Kinderschutzsoftware.

Die erste Lösung ist bei den Kleinen und Erstsurfern sicherlich eine gute Strategie. So erkennen die Eltern die Interessen ihrer Kinder und können unterstützend bei Fragen helfen. Im Falle älterer Kids ist die gemeinsame Internetexpedition für alle Beteiligten etwa so spannend, als wenn Mama beim ersten Kuss daneben sitzt und aufpasst, dass nichts schlimmeres passiert. In diesem Fall ist vermutlich eine sichere Softwarelösung die bessere Variante.

Jeder macht sein eigenes Ding

Die erste Maßnahme sollte sein, ein eigenes Benutzerkonto für die Kinder und vor allem für Dich selber einzurichten. Somit sind Deine Daten und Einstellungen vor dem Zugriff Deiner Kinder geschützt und der Zugang, den die Kids nutzen, kann dann nach Belieben konfiguriert werden.

Ein systemübergreifender Schutz ist der KinderServer. Über dieses Portal kann eine Software herunter geladen werden, mit deren Hilfe Eltern den Browser kindersicher machen. KinderServer lässt nur den Zugriff auf bestimmte ausgewiesene Seiten zu. Die Liste der erreichbaren URLs kann von den Eltern individuell angepasst werden. Der Filter wird über einen einfachen Klick ein- und ausgeschaltet und ist unkompliziert editierbar.

Sperren bei Windows & Co.

Es gibt neben einer Vielzahl von Softwareangeboten auf dem freien Markt in beiden großen Betriebssystemen Windows und Macintosh die Möglichkeit, über eingebaute Features eine Schutzbarriere für Kinder und Jugendliche aufzubauen. Wer einen Mac besitzt, kann sich auf der Apple-Seite informieren, wie der Schutz einzurichten ist, für Microsoft-User gibt es die nötige Software mit Beschreibung im Internet.

Beide Unternehmen suggerieren einen perfekten Schutz für Kinder. Und tatsächlich sind bestimmte Einstellungen wie zum Beispiel Zeitbegrenzungen und Einschränkungen bei der Nutzung von ausgewählten Programmen sehr hilfreich.

Wenn es jedoch um das Internet geht, ist die Auswahl dieser Software, welche Seite für Kinder geeignet ist und welche nicht, oft zweifelhaft. Dass ausgewiesene Pornoseiten gesperrt werden, ist selbstverständlich. Was aber ist mit fragwürdigen Youtube-Filmen, die weiterhin frei zugängig sind oder was mit dem Internetauftritt einer Boulevardzeitung, auf dem offen über Sexualthemen geschrieben wird?

Die sogenannten Blacklists, also Listen von ausgeschlossenen Seiten, können bei beiden Varianten erweitert werden. Doch wer kennt schon alle URLs, die man seinen Kindern nicht zumuten will? Und das positive Vorgehen, den Zugriff nur auf bestimmte Seiten zuzulassen, kommt zumindest bei größeren Kindern einem generellen Internetverbot gleich.

Vertrauen ist gut

Beschränkungen, Verbote und Sicherheitsvorkehrungen schützen Kinder und Jugendliche. Aber eines können sie leider nicht: Dem Nachwuchs einen verantwortungsvollen Umgang mit dem Internet beibringen. Der beste und nachhaltigste Schutz für Kinder ist jedoch eine gestärkte Medienkompetenz. Und Verbote sind meistens kontraproduktiv: Erstens wecken Verbote bei Kindern automatisch Begehrlichkeiten und zweitens verhindern sie einen selbstständig-verantwortungsvollen Umgang mit Medien.

Das Problem liegt in der fehlenden Aufklärung. Während Kinder beim technischen Knowhow die Erwachsenen mit ihrem Wissen über das Internet schnell überholen, sind die Defizite im inhaltlichen Bereich oft sehr groß. Sie müssen verstehen lernen, warum Verherrlichung von Gewalt nicht für sie geeignet ist, warum man im Internet nicht einfach Papas Kontonummer eintippt oder es besser unterlässt, peinliche Bilder von sich dort zu veröffentlichen. Das geschieht nicht durch einfache Verbote, sondern durch kompetente Anleitung.

Deshalb zum Schluss der Appell: Setzt Euch gemeinsam mit den Kids über das auseinander, was im Netz passiert und was die Kinder interessiert. Erklärt, weshalb ihr manche Sachen nicht wollt. Aber lasst Euch auch nicht irre machen von den vielen (selbsternannten) Experten, die mehr oder weniger täglich vor den Gefahren im Internet drohen. Denn das Netz ist alles in allem eine großartige Sache, von der Kinder ebenso wie Erwachsene profitieren können.