Pinterest als E-Commerce-Tool

Keine Facebook-Seite, kein Twitter-Account? Kaum ein Unternehmen, das sich heute noch den „Luxus“ leistet, in diesem sozialen Netzwerken nicht die Werbetrommel für sich zu rühren. Auch auf Google+ sind Unternehmen mittlerweile gut vertreten. Bei Pinterest dagegen scheint es immer noch Berührungsängste zu geben – und das, obwohl das erst 2010 gegründete soziale Netzwerk inzwischen als einer der major player und Umsatzbringer für den E-Commerce gilt. Wo die Großen (noch) verzichten, ergeben sich aber umso bessere Chancen für die Kleineren. Gerade Webshop-Betreiber können von dem auf der Macht der Bilder beruhenden Netzwerk enorm profitieren.

Was ist Pinterest genau?

Pinterest ist eine Plattform, auf der die Nutzer schöne, besondere und schräge Bilder aus dem Internet an ihre persönliche Pinnwand pinnen und mit ihren Freunden teilen können. Von Architektur über Mode bis hin zu Essen und Autos lassen sich an den Boards die Vorlieben der Nutzer leicht erkennen (mehr Infos dazu findest Du zum Beispiel hier). Pinterest verfügt außerdem über eine Vollintegration in die Facebook-Chronik, so dass Pins auch noch über dieses Netzwerk weitergeteilt werden können (aber nicht müssen – das lässt sich im Pinterest-Account entsprechend einstellen). Bis zum August 2009 befand sich Pinterest in der Betaphase und war nur auf Einladung nutzbar, inzwischen ist es frei zugänglich.

Pinterest als Zukunft des E-Commerce?

Laut einer Studie des Marktforschungsunternehmens comScore ist Pinterest das derzeit am schnellsten wachsende soziale Netzwerk. Zwischen Mai 2011 und Mai 2012 wurde bei den Kennzahlen Unique Visitors und über Suchmaschinen generierte Klicks ein Zuwachs von sagenhaften 4377 Prozent verzeichnet. Innerhalb von neun Monaten seien die Nutzerzahlen auf aktuell 17 Millionen geklettert.

Im Vergleich zu Facebook mag sich das noch winzig anhören. Experten wie der E-Commerce-Dienstleister Shopify gehen jedoch davon aus, dass Pinterest ein gewaltiges Potenzial für den Onlinehandel hat. Denn Pinterest-Nutzer gelten aus ausgesprochen kaufkräftig. Laut Shopify investieren Pinterest-Nutzer in den USA pro Online-Shopping-Session durchschnittlich 80 Dollar. Und die „RichRelevance Shopping Insights 2012“ besagen, dass der durchschnittliche Umsatz pro Shopbesuch der über Pinterest gewonnenen Kunden mittlerweile über dem der durch Facebook-Kunden gewonnenen Umsatz liegt.

Für wen bietet sich Pinterest vor allem an?

Pinterest gilt nach wie vor als „weibliches“ soziales Netzwerk, in dem sich überdurchschnittlich viele Frauen tummeln. Wer einen Blick auf die Plattform wirft, wird tatsächlich in erster Linie Klamotten, Schuhe und Rezeptbilder entdecken. Garniert von Einrichtungsideen und DIY-Tipps. In den USA, denen bei Pinterest eine ganz klare Vorreiterrolle zukommt, sind es dementsprechend bislang vor allem (Klein-)Unternehmen aus den Bereichen Kunst, Design, Handwerk, Haushalt und Hobbys, die Pinterest als Marketing-Plattform benutzen.

Aber auch große Unternehmen und Marken entdecken zunehmend den Charme der virtuellen Bilderwand – immer wieder auch als Alternative zu hoffnungsvoll gestarteten Facebook-Stores, die dann aber weit hinter den Erwartungen zurückblieben und wieder eingestellt worden. Als auch technisch sehr einfach einzurichtendes virtuelles Schaufenster ist Pinterest optimal für alle Branchen, in denen viel über die Optik gearbeitet wird – also etwa für Modelabels.

Gibt es ein Erfolgsgeheimnis für Pinterest?

Im Gegensatz zu Facebook oder Twitter, für die es immer wieder Anleitungen für den optimalen Post oder den perfekten Auftritt auf der Plattform gibt, sucht man nach solchen Patentrezepten für Pinterest vergeblich – vielleicht auch, weil das Netzwerk noch so jung ist und bisher eher von privaten Usern als von Unternehmen genutzt wurde.

Zumindest eines aber ist klar: Da Pinterest eine Plattform ist, bei der die Optik im Zentrum steht, geht es nicht ohne gute Bilder. Mit mauen Schnappschüssen kann hier niemand punkten. Geteilt bzw. gepinnt werden interessante Motive, die optimal in Szene gesetzt wurden. Davon profitieren natürlich alle Unternehmen, die bereits gute Bilder zur Verfügung haben. Ohne große zusätzliche Kosten ist hier eine einfache Zweitverwertung möglich. Ein Selbstläufer ist Pinterest aber dennoch nicht.

Die hohe Kunst der Selbstinszenierung

Unter den sozialen Netzwerken ist Pinterest die Plattform, die den Nutzern den Start am leichtesten macht. Kurz anmelden, den Pin-Button in der Leseleiste installieren und schon lassen sich die diversen Pinterest-Boards beim Surfen durchs Netz mehr oder weniger nebenbei bestücken. Wer Pinterest als Marketing-Tool nutzen möchte, braucht dafür nicht mehr technisches Knowhow oder ein großes Budget, wohl aber Zeit und Arbeit. Und die beginnt schon vor dem eigentlichen Start.

Es gilt, vorab ein schlüssiges Konzept zu entwickeln: Für was stehen unsere Produkte? Und mit welcher Bildsprache können wir das transportieren? Das Pinterestboard eines Unternehmens prägt das optische Image, es zeigt seinen Stil, seine Einstellung – dementsprechend viele Gedanken sollten sich darüber gemacht werden.

Hilfe vom Profi?

Wer sich hierzulande durch Webshops und Unternehmensseiten klickt, wird immer wieder feststellen, dass bei der optischen Selbstdarstellung oft noch viel Luft nach oben ist. Wer es sich leisten kann, sollte sich Hilfe von Profis holen, also von Fotografen, Stylisten, Illustratoren etc. Solche Dienstleistungen sind günstiger als die meisten Kleinunternehmer denken und zahlen sich ja nicht nur für den Pinterest-Auftritt aus. Gerade weil zumindest in Deutschland viele große Unternehmen Pinterest noch nicht für sich entdeckt haben, können kleine und mittlere Unternehmen mit guten Konzepten und vergleichsweise kleinen Investitionen in diese Nische springen und sich einen Vorsprung erarbeiten, bevor der Mainstream das Netzwerk endgültig entdeckt.

Wichtig ist, dass Pinterest-Boards nicht nur als eine schicke virtuelle Variante des gedruckten Warenkatalogs erscheinen. Da es sich um ein soziales Netzwerk handelt, geht es immer auch um den Dialog und die Bindung der Nutzer an eine Marke oder ein Unternehmen.

Der Technikkonzern Sony etwa zeigt auf seinen Boards nicht nur die neuesten Produkte, sondern hat auch ein Retro-Board eingerichtet, an das Bilder von alten Sonyprodukten wie dem legendären Walkman gepinnt werden können – für Fans bietet das immer wieder neuen Gesprächsstoff. An einem anderen Board finden sich Bilder, die Kunden mit einer Sony-Kamera gemacht haben, außerdem gibt es Boards für technische Spielereien und alte Anzeigen.

Auf dem Weg zu einer neuen Shopping-Kultur

Die Deutschen gelten nach wie vor als „rationale Shopper“, das heißt, sie lassen sich nicht so schnell von schönen, emotionalen Bildern verführen wie etwa US-Amerikaner. Doch die Zeiten ändern sich: Wer soziale Medien nutzt, der lässt auch sein Konsumverhalten stärker davon beeinflussen. Und den größten Einfluss haben Bilder.

Kaum eine Studie zum Thema E-Commerce, in der nicht davon ausgegangen wird, dass auf Bildern beruhende Netzwerke in der Zukunft die beherrschende Rolle spielen werden. Denn Bilder sprechen eine globale Sprache, sie brauchen keinen Übersetzung – im weltweiten Netz ein entscheidender Vorteil gegenüber Wörtern.